Zusammenfassung des Urteils IV 2010/342: Versicherungsgericht
A. verletzte sich bei einem Arbeitsunfall am Hinterkopf, als eine Schutzvorrichtung abmontiert wurde und eine Arbeitskollegin den Pressenhub auslöste. Nach verschiedenen Diagnosen und Behandlungen beantragte A. eine Invalidenrente, die jedoch von der IV-Stelle abgelehnt wurde. Es folgten Beschwerden und Gutachten, die zu unterschiedlichen Einschätzungen führten. Das Gericht entschied schliesslich, die Angelegenheit zur weiteren Abklärung an die IV-Stelle zurückzuweisen.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2010/342 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 12.12.2011 |
Rechtskraft: | - |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 28 Abs. 2 IVG: Anspruch auf eine Invalidenrente. Rückweisung zur Durchführung einer psychiatrischen Begutachtung (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 12. Dezember 2011, IV 2010/342). |
Schlagwörter : | Arbeit; IV-act; Beurteilung; Psychiatrie; Psychiatrie-Zentrum; Verfügung; Recht; Arbeitsfähigkeit; Invalidität; Gericht; Diagnose; Bericht; Anspruch; Psychiatrie-Zentrums; Psychosyndrom; Rente; Leistungen; Invaliditätsgrad; Invalidenversicherung; Beschwerden; Abklärung; Erwägungen; IV-Revision; Sachverhalt; Gesundheit; Untersuchung |
Rechtsnorm: | Art. 16 ATSG ;Art. 7 ATSG ;Art. 8 ATSG ; |
Referenz BGE: | 125 V 261; 125 V 352; 127 V 467; 130 V 445; 132 V 215; 135 V 465; |
Kommentar: | Spühler, Basler Kommentar zur ZPO, Art. 321 ZPO ; Art. 311 ZPO, 2017 |
Präsidentin Lisbeth Mattle Frei, Versicherungsrichterin Marie Löhrer, Versicherungsrichter Martin Rutishauser; Gerichtsschreiber Marcel Kuhn
Entscheid vom 12. Dezember 2011 in Sachen
A. ,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Daniel Ehrenzeller, Engelgasse 214, 9053 Teufen,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, betreffend
Rente
Sachverhalt:
A.
A. verletzte sich am 3. Oktober 2006 bei einem Arbeitsunfall am Hinterkopf. Weil eine Schutzvorrichtung abmontiert worden war, konnte eine Arbeitskollegin den Pressenhub auslösen, obwohl die Versicherte noch am Hantieren beim Pressentisch war. Das sich absenkende Oberwerkzeug traf die Versicherte am Hinterkopf; der Pressenhub wurde unmittelbar danach gestoppt (IV-act. Fremdakten; Unfallrapport der Suva vom 5. März 2007). Die Versicherte wurde in das Spital Grabs überführt, wo sie bis zum 5. Oktober 2006 überwacht wurde. Sie klagte über anhaltende Kopfund Rückenschmerzen. Dr. B. , Orthopädische Chirurgie, stellte am 7. Dezember 2006 die Diagnose einer MTBI. Die Suva erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Mit Verfügung vom 19. April 2007 stellte die Suva ihre Leistungen per 30. April 2007 ein; diese Verfügung bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 6. August 2008 (IV-act. unnummerierte Fremdakten).
Im November 2007 meldete sich die Versicherte zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung (IV) an und beantragte die Ausrichtung einer Rente. Seit dem Unfallereignis leide sie an Kopf-, Nackenund Rückenschmerzen sowie an psychischen Beschwerden (IV-act. 1).
Im Bericht vom 28. März 2007 hielt Dr. C. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, eine posttraumatische Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion gemischt (ICD-10: F43.22) fest und attestierte der Versicherten eine volle Arbeitsunfähigkeit (IV-act. 57/6-7). Dr. D. , FMH Innere Medizin, diagnostizierte im Bericht vom 10. Dezember 2007 ein panvertebrales, vorwiegend rechts betontes Syndrom und eine Anpassungsstörung. Die Arbeitsfähigkeit sei von der Arbeit und vom Arbeitsplatz abhängig (IV-act. 13). Im Arztbericht des Psychiatrie-Zentrums Werdenberg-Sarganserland (nachfolgend: Psychiatrie-Zentrum) vom 16. April 2008 wurden die Diagnosen organisches Psychosyndrom nach Schädeltrauma (ICD-10: F07.2) und mittelgradige depressive Episode (ICD-10: F32.1) gestellt. Bis auf weiteres bestehe für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit. Die Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit könne erst nach der Durchführung eines
Arbeitstrainings und eines Arbeitsversuchs beurteilt werden (IV-act. 26). Im Verlaufsbericht vom 6. Oktober 2008 stellte das Psychiatrie-Zentrum einen verbesserten Gesundheitszustand fest. Es sei noch kein Arbeitsversuch durchgeführt worden, sodass die Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit noch nicht beurteilt werden könne. Die Versicherte sei derzeit jedoch sicher zu 20% arbeitsfähig. Unter berufsbegleitenden Massnahmen könne innerhalb der nächsten drei bis vier Monate eine Arbeitsfähigkeit von 50% erwartet werden (IV-act. 30). Am 25. März 2009 erfolgte eine Abklärung durch den Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) der Invalidenversicherung. Dr. E. , Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, diagnostizierte im Bericht vom 27. März 2009 einen Verdacht auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10: F45.4). Die Versicherte sei in einer geeigneten Tätigkeit, die ihren mentalen und geistigen Ressourcen entspreche, vollschichtig arbeitsfähig (IV-act. 37).
Im Schreiben vom 29. Dezember 2009 teilte die IV-Stelle der Versicherten den Abschluss der Arbeitsvermittlung mit. Die Versicherte nehme noch bis April 2010 an einem Einsatzprogramm des RAV teil. Im Rahmen der Stellensuche werde sie anschliessend ebenfalls vom RAV betreut. Weitere berufliche Eingliederungsmassnahmen seien nicht notwendig (IV-act. 55).
Im Arztbericht vom 8. Januar 2010 hielt das Psychiatrie-Zentrum an den bereits gestellten Diagnosen fest und stellte insgesamt einen leicht verbesserten Gesundheitszustand fest. Die Leistungsfähigkeit unterliege aktuell noch starken Schwankungen (IV-act. 58).
Im Vorbescheid vom 3. März 2010 stellte die IV-Stelle der Versicherten in Aussicht, dass sie keinen Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung habe (IVact. 64). Mit Schreiben vom 16. April 2010 erhob die Versicherte Einwand gegen den Vorbescheid und beantragte mindestens die Ausrichtung einer halben Invalidenrente (IV-act. 65). Am 19. April 2010 legte die Beschwerdeführerin einen Bericht des Psychiatrie-Zentrums vom 15. April 2010 ins Recht (IV-act. 67). Im Verlaufsbericht des Psychiatrie-Zentrums vom 2. Juni 2010 wurde zusätzlich eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1) diagnostiziert. Der Gesundheitszustand der Versicherten habe sich verbessert. Aufgrund der abweichenden Beurteilungen der
Arbeitsfähigkeit werde eine erneute gutachterliche Beurteilung durch einen Rheumatologen und einen neutralen Psychiater empfohlen (IV-act. 70/5-8).
Mit Verfügung vom 20. Juli 2010 eröffnete die IV-Stelle der Versicherten wie
angekündigt, dass sie keinen Anspruch auf eine Invalidenrente habe (IV-act. 74).
B.
Gegen diese Verfügung richtet sich die von Rechtsanwalt lic. iur. Daniel Ehrenzeller, Teufen, eingereichte Beschwerde vom 10. September 2010 mit den Anträgen, die Verfügung vom 20. Juli 2010 sei aufzuheben, der Beschwerdeführerin sei spätestens ab Oktober 2007 eine halbe Invalidenrente zuzusprechen und eventualiter sei die Angelegenheit im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen; unter Kostenund Entschädigungsfolge zu Lasten der Beschwerdegegnerin. Die Beschwerdeführerin führt im Wesentlichen aus, dass bei der vorliegenden Aktenlage eine neutrale Begutachtung unumgänglich sei, sofern nicht auf die fachtherapeutische Einschätzung des Psychiatrie-Zentrums abgestellt werde. Bei einer Arbeitsfähigkeit von 50% und einem Leidensabzug von 15% werde ein Invaliditätsgrad von mindestens 50% erreicht (act. G 1). Am 14. September 2010 legte die Beschwerdeführerin zusätzlich ein Schreiben des Psychiatrie-Zentrums vom 9. September 2010 ins Recht (act. G 2 und 2.1).
In der Beschwerdeantwort vom 10. November 2010 beantragt die Beschwerdegegnerin die Abweisung der Beschwerde. Bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit sei auf die schlüssigen Ausführungen des RAD abzustellen (act. G 6).
Mit Präsidialverfügung vom 16. November 2010 wurde der Beschwerdeführerin die unentgeltliche Prozessführung (Befreiung von den Gerichtskosten und Bewilligung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung) für das Verfahren vor Versicherungsgericht bewilligt (act. G 7).
Mit Replik vom 16. Dezember 2010 hält die Beschwerdeführerin an den gestellten
Anträgen fest (act. G 9).
Die Beschwerdegegnerin hat auf die Einreichung einer Duplik verzichtet (act. G 9).
Auf weitere Ausführungen der Parteien wird, soweit erforderlich, in den folgenden Erwägungen eingegangen.
Erwägungen:
1.
Am 1. Januar 2008 sind die im Zug der 5. IV-Revision revidierten Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung (IVG; SR 831.20), der Verordnung über die Invalidenversicherung (IVV; SR 831.201) und des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG; SR 830.1) in Kraft getreten. In materiellrechtlicher Hinsicht gilt der allgemeine übergangsrechtliche Grundsatz, dass der Beurteilung jene Rechtsnormen zu Grunde zu legen sind, die bei Erlass des angefochtenen Entscheids beziehungsweise im Zeitpunkt gegolten haben, als sich der zu den materiellen Rechtsfolgen führende Sachverhalt verwirklicht hat (vgl. BGE 127 V 467 E. 1, 126 V 136 E. 4b, je mit Hinweisen). Die angefochtene Verfügung ist am 20. Juli 2010 eröffnet worden, wobei ein Sachverhalt zu beurteilen ist, der vor dem Inkrafttreten der revidierten Bestimmungen der 5. IV-Revision am 1. Januar 2008 begonnen hat. Daher und aufgrund dessen, dass der Rechtsstreit eine Dauerleistung betrifft, über die noch nicht rechtskräftig verfügt wurde, ist entsprechend den allgemeinen intertemporalrechtlichen Regeln für die Zeit bis 31. Dezember 2007 auf die damals geltenden Bestimmungen und ab diesem Zeitpunkt auf die neuen Normen der
5. IV-Revision abzustellen (vgl. zur 4. IV-Revision: BGE 130 V 445 ff.; Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts [EVG; seit 1. Januar 2007: Sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts] vom 7. Juni 2006, I 428/04, E. 1). Diese übergangsrechtliche Lage zeitigt indessen keine materiellrechtlichen Folgen, da die
5. IV-Revision hinsichtlich des Begriffs und der Bemessung der Invalidität keine substantiellen Änderungen gegenüber der bis Ende 2007 gültig gewesenen Rechtslage gebracht hat. Nachfolgend werden die seit 1. Januar 2008 gültigen Bestimmungen des ATSG und IVG wiedergegeben.
2.
Zu prüfen ist vorliegend, ob die Beschwerdegegnerin den Anspruch der
Beschwerdeführerin auf eine Invalidenrente zu Recht abgelehnt hat.
Invalidität ist die voraussichtlich bleibende längere Zeit dauernde ganze teilweise Erwerbsunfähigkeit (Art. 8 Abs. 1 ATSG). Erwerbsunfähigkeit ist der durch Beeinträchtigung der körperlichen, geistigen psychischen Gesundheit verursachte und nach zumutbarer Behandlung und Eingliederung verbleibende ganze teilweise Verlust der Erwerbsmöglichkeiten auf dem in Betracht kommenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 7 Abs. 1 ATSG). Der Grad der für einen allfälligen Rentenanspruch massgebenden Invalidität wird gemäss Art. 16 ATSG durch einen Einkommensvergleich ermittelt, bei dem das Einkommen, das die versicherte Person nach dem Eintritt der Invalidität und nach der Durchführung der notwendigen und zumutbaren Eingliederungsmassnahmen bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage erzielen könnte (zumutbares Invalideneinkommen), in Beziehung gesetzt wird zum Einkommen, das die versicherte Person erzielen könnte, wenn sie nicht invalid geworden wäre (Valideneinkommen).
Die Rentenabstufungen nach Art. 28 Abs. 2 IVG geben bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40% Anspruch auf eine Viertelsrente, bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50% Anspruch auf eine halbe Rente, bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 60% Anspruch auf eine Dreiviertelsrente und bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 70% Anspruch auf eine ganze Rente.
Um den Invaliditätsgrad bemessen zu können, ist die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht auf Unterlagen angewiesen, die ärztliche und gegebenenfalls auch andere Fachleute zur Verfügung zu stellen haben. Aufgabe des Arztes der Ärztin ist es, den Gesundheitszustand zu beurteilen und dazu Stellung zu nehmen, in welchem Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten die versicherte Person arbeitsunfähig ist (BGE 125 V 261 E. 4). Für das gesamte Verwaltungsund Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Danach haben die Versicherungsträger und das Sozialversicherungsgericht die Beweise frei, d.h. ohne Bindung an förmliche Beweisregeln, sowie umfassend und pflichtgemäss zu würdigen. Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist entscheidend, ob der Bericht für die streitigen
Belange umfassend ist, auf allseitigen Untersuchungen beruht, die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet sind (BGE 125 V 352 E. 3a mit Hinweisen). Rechtsprechungsgemäss kommt einem Gutachten anderen medizinischen Beurteilungen schon dann kein voller Beweiswert zu, wenn Indizien gegen ihre Zuverlässigkeit sprechen; es muss nicht feststehen, dass die medizinischen Beurteilungen effektiv nicht den Tatsachen entsprechen, was nicht mit medizinischen Fachpersonen besetzte Behörden in der Regel nicht beurteilen können (Urteil des EVG vom 16. Oktober 2002, I 779/01, E. 4.2).
Der Sozialversicherungsprozess ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Danach haben Gericht und Verwaltung von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen. Wenn der entscheidrelevante Sachverhalt ungenügend abgeklärt wurde, kann das Gericht die Angelegenheit zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückweisen (vgl. U. Kieser, ATSG-Kommentar, 2. Auflage, Zürich 2009, N 62 zu Art. 61).
3.
Vorab ist zu prüfen, ob die medizinische Aktenlage eine rechtsgenügliche Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin erlaubt. Die Beschwerdegegnerin stützt sich in der angefochtenen Verfügung auf den ärztlichen Bericht von Dr. E. vom 27. März 2009 und die darin festgelegte 100%ige Arbeitsfähigkeit in einer adaptierten Tätigkeit. Die Beschwerdeführerin ist hingegen der Ansicht, dass eine neutrale Begutachtung durchzuführen sei, sofern nicht auf die Einschätzung des Psychiatrie-Zentrums abgestellt werde.
Der Bericht von Dr. E. vom 27. März 2009 beruht auf einer psychiatrischen Untersuchung und berücksichtigt die relevanten Vorakten sowie die geklagten Beschwerden der Beschwerdeführerin. Während Dr. E. als Diagnose nur einen Verdacht auf eine somatofome Schmerzstörung (ICD-10: F45.4) festhält, diagnostizierte das Psychiatrie-Zentrum ein organisches Psychosyndrom nach Schädeltrauma
(ICD-10: F07.2) und eine mittelgradige depressive Episode mit somatischem Syndrom
(ICD-10: F32.1) sowie schliesslich eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F43.1). Dr. E. setzt sich im Bericht einzig mit der abweichenden Diagnose eines organischen Psychosyndroms nach Schädeltrauma auseinander. Diesbezüglich führte er aus, dass sich in der durchgeführten Untersuchung kein Hinweis auf ein organisches Psychosyndrom ergeben habe. Es würden weder grobe Orientierungsstörungen noch andere stark eingeschränkte kognitive Beeinträchtigungen bestehen, die auf ein hirnorganisches Psychosyndrom hinweisen würden. Es sei daher zu vermuten, dass diese Diagnose von älteren Berichten, die eine temporäre Amnesie berichten und deswegen ein organisches Psychosyndrom dokumentieren würden, übernommen worden sei. Diese Begründung vermag nicht vollends zu überzeugen. Gemäss ICD-10 Klassifikation stellen die von Dr. E. genannten Kriterien "grobe Orientierungsstörungen und stark eingeschränkte kognitive Beeinträchtigungen" keine Voraussetzung für die Diagnose eines organischen Psychosyndroms nach Schädelhirntrauma (F07.2) dar. Vielmehr werden dort Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Erschöpfung, Reizbarkeit, Schwierigkeiten bei Konzentration und geistigen Leistungen, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen und verminderter Belastungsfähigkeit für Stress, emotionale Reize Alkohol benannt. Solche Beschwerden werden von der Beschwerdeführerin bei den jeweiligen Untersuchungen, auch gegenüber Dr. E. (vgl. IV-act. 37 E. 1.1), regelmässig geltend gemacht und bilden gemäss Verlaufsbericht des Psychiatrie-Zentrums vom 2. Juni 2010 auch Bestandteil der psychiatrischen Behandlung. Auf Nachfrage des RAD (IV-act. 69) begründete das Psychiatrie-Zentrum seine abweichende Beurteilung ausführlich und legte dar, weshalb die Beurteilung durch Dr. E. für falsch erachtet wird (IV-act. 72). In der Folge hielt RAD-Ärztin Dr. F. fest, weshalb sie die Beurteilung durch das Psychiatrie-Zentrum nicht teilt und auf die Beurteilung durch Dr. E. abzustellen sei (IV-act. 73). In dieser Situation kann nicht ohne weiteres auf die interne Beurteilung des RAD abgestellt werden. Vielmehr lässt die medizinische Aktenlage keine schlüssige Einschätzung der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin in einer dem Leiden angepassten Tätigkeit zu. Die Beurteilungen des RAD und des Psychiatrie-Zentrum gehen sowohl bezüglich der gestellten Diagnosen als auch in der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit derart weit auseinander, dass sich daraus keine plausible Beurteilung ableiten lässt. Auch die übrige medizinische Aktenlage vermag diesbezüglich keine Klarheit zu schaffen, zumal die psychiatrische Behandlung bei Dr. C. nicht mehr
weitergeführt wurde, nachdem dieser im März 2007 noch eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit attestierte. Sodann kann aus dem Umstand, dass die Suva ihre Leistungen per 30. April 2007 eingestellt hat (IV-Fremdakten; Einspracheentscheid der Suva vom 6. August 2008), nichts für das vorliegende Verfahren abgeleitet werden, da der Unfallversicherer die Leistungseinstellung hauptsächlich mit dem fehlenden adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den geklagten Beschwerden begründete.
Die obigen Ausführungen legen dar, dass Zweifel an der Zuverlässigkeit der RADBeurteilung nicht verneint werden können. Da bei einem Fallabschluss ohne Einholung eines externen Gutachtens strengere Anforderungen an die Beweiswürdigung zu stellen sind und bereits bei geringen Zweifel an der Zuverlässigkeit und Schlüssigkeit der versicherungsinternen ärztlichen Feststellungen ergänzende Abklärungen vorzunehmen sind (vgl. BGE 135 V 465 E. 4.4), ist die Sache zur Durchführung einer externen psychiatrischen Begutachtung an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen, damit diese anschliessend neu über die Sache verfügen kann.
4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung vom 20. Juli 2010 teilweise gutzuheissen. Die Sache ist zur weiteren Abklärung und zu neuer Verfügung im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückzuweisen.
Das Beschwerdeverfahren ist kostenpflichtig. Die Kosten werden nach dem Verfahrensaufwand und unabhängig vom Streitwert im Rahmen von Fr. 200.-bis Fr. 1'000.-festgelegt (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.--
erscheint als angemessen. Die Rückweisung zur Neubeurteilung gilt praxisgemäss als volles Obsiegen (BGE 132 V 215 E. 6.2). Somit unterliegt die Beschwerdegegnerin vollumfänglich. Sie hat deshalb die gesamte Gerichtsgebühr von Fr. 600.-zu bezahlen.
Bei diesem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine
Parteientschädigung. Diese ist vom Gericht ermessensweise festzusetzen, wobei
insbesondere der Bedeutung der Streitsache und dem Aufwand Rechnung zu tragen ist (Art. 61 lit. g ATSG; vgl. auch Art. 98 ff. VRP/SG, sGS 951.1). Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin hat auf die Einreichung einer Honorarnote verzichtet. Der Bedeutung und dem Aufwand der Streitsache angemessen erscheint eine Parteientschädigung von pauschal Fr. 3'500.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer).
Demgemäss hat das Versicherungsgericht entschieden:
1. Die Beschwerde wird unter Aufhebung der angefochtenen Verfügung vom
20. Juli 2010 teilweise gutgeheissen. Die Sache wird zur weiteren Abklärung und zu neuer Verfügung im Sinn der Erwägungen an die Beschwerdegegnerin zurückgewiesen.
Die Beschwerdegegnerin bezahlt eine Gerichtsgebühr von Fr. 600.--.
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung von Fr. 3'500.-- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
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